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Home > Eigenständige JugendpolitikBericht Online Lunchtalk: "Mentale Gesundheit junger Menschen sichern"

(13.11.2023) Bei einem digitalen Lunchtalk am 24.10.2023 wurde das Diskussionspapier „Jugendgerechte Gesundheitspolitik – Mentale Gesundheit und Präventionsstrategien“ vorgestellt und mit der interessierten Fachöffentlichkeit diskutiert.

Zwei Jugendliche an Kletterwand Zwei Jugendliche an Kletterwand
allan mas via pexels

Im Juni 2023 hat die Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik einen Denkwerkstattprozess mit Expert*innen aus diversen Arbeitsfeldern der Bereiche Gesundheit, Jugend und Soziales zum Thema Mentale Gesundheit und Präventionsstrategien durchgeführt. Als Ergebnis ist das Diskussionspapier "Mentale Gesundheit Jugendlicher sichern – systemübergreifend handeln!" entstanden, in welchem festgehalten wurde, worauf es jetzt für die Gruppe der 12- bis 27-Jährigen ankommt und welche Handlungsstrategien nötig sind. Im Lunchtalk am 24. Oktober wurden diese Ergebnisse aufgegriffen und in die Öffentlichkeit getragen.

Krisen verschärfen psychische Belastungen

Für die Denkwerkstatt waren Tanja Baur (Gangway), Dr. Jaana Eichhorn (Deutsche Sportjugend) und Antje Liesener (Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen) als Diskussionsteilnehmerinnen eingeladen. Zunächst berichteten sie aus ihren Arbeitszusammenhängen, dass die psychischen Belastungen junger Menschen bereits vor der Pandemie sichtbar gewesen seien. Durch die multiplen Krisen hätten diese Belastungen dann noch zugenommen. Die Fachkräfte stünden dieser Entwicklung oft hilflos und ohnmächtig gegenüber.

Dies wirke sich auch in den Zusammenschlüssen junger Menschen aus. Aus dem Vereinssport wurde beispielsweise berichtet, dass junge Erwachsene sich nun deutlich seltener und weniger intensiv engagierten. In den Seminaren der Freiwilligendiensten müsse nun mehr Zeit dafür aufgebracht werden, die Grundlagen des sozialen Miteinanders zu erlernen. Für die Fachkräfte stehe zudem die Herausforderung an, die eigenen Kompetenzen in die Arbeit mit einer zunehmend digitalisierten Jugend zu übersetzen.

Junge Menschen brauchen verlässliche und gut vernetzte Ansprechpartner*innen

Deutlich wurde, dass vor allem die stark belasteten Jugendlichen von der Einführung eines Fallmanagements profitieren würden. Hier wäre eine Ansprechperson über alle Strukturen des Sozial- und Gesundheitswesens hinweg für junge Menschen ansprechbar und könnte an geeignete Stellen weitervermitteln. Sinnvoll sei eine Angliederung an das Schulsystem, da dort so gut wie alle Jugendlichen erreicht werden könnten. Die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche im Sozialgesetzgebungssystem seien jedoch herausfordernd. Die Jugendberufsagenturen hätten in den letzten Jahren allerdings eindrucksvoll gezeigt, dass die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit nicht nur möglich ist, sondern auch positive Effekte für junge Menschen habe. Im Gesundheitsbereich gebe es mit den Präventionsketten sowie den Frühen Hilfen ebenfalls gute Beispiele, welche für alle Altersgruppen erweitert werden könnten.

Zudem solle der Blick auch auf gesündere Lebensverhältnisse gelegt werden, statt den Blick nur auf das Verhalten Einzelner zu legen. So sei in der Stadtplanung noch Potenzial, mehr Bewegungsanreize zu schaffen und das soziale Miteinander zu fördern, was wiederum nachweislich mit einer niedrigeren Häufigkeit von Depressionen und psychischen Auffälligkeiten korreliere.

Psychische Erkrankungen noch immer mit Stigma behaftet

Auch wenn in den letzten Jahren mentale Gesundheit als Thema immer breiter und enttabuisierender diskutiert wurde, haben junge Menschen mit psychischen Erkrankungen immer noch mit Vorurteilen und Scham zu kämpfen. Die Jugendhilfe könne hier vor allem im präklinischen Bereich wirksam werden. Gleichzeitig bleibe es herausfordernd, junge Menschen mit psychischen Erkrankungen ins Gesundheitssystem zu vermitteln, da die vorhandenen Kapazitäten an stationären und ambulanten Therapieplätzen die gestiegene Nachfrage nicht decken können.

Selbstkritisch merkten die Diskutantinnen an, dass es in der Denkwerkstatt nicht ausreichend gelungen sei, die Bedeutung eines neuen Bildungsverständnisses zu diskutieren, welches weniger Anpassungsfähigkeit, sondern vielmehr Individualität und Vielfalt in den Mittelpunkt stelle, um die Resilienz junger Menschen zu stärken.

In der anschließenden offenen Diskussion mit dem Publikum wurden die Eindrücke durch ähnliche Erfahrungen aus der Praxis der Teilnehmenden bestätigt. Ergänzend wurde angemerkt, dass auch mangelnde gesellschaftliche Teilhabe krank mache, hierzu zähle insbesondere fehlender Zugang zu Ausbildung und Arbeit.

Mehr Informationen zur Denkwerkstatt sowie das Diskussionspapier finden sich auf dieser Überblicksseite

Quelle: jugendgerecht.de - Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik, November 2023